Ein Festival ähnelt einem Supermarkt: Es dauert seine Zeit, bis man das hat, was man sich ausgerechnet hat. Und 90% vom Angebot braucht man oder will man nicht. Beim Blackdoor Music Fest (BMF) ist es so, dass du Sachen bekommst, mit denen du nicht gerechnet hast: ein traumhaft schön gelegenes Festivalgelände mit einem 360°-Rundblick bis zum knapp 70km entfernten Großen Arber, den Stadl mit seiner unglaublich guten Akustik und ein Personal, das seine Gäste kennt. Abgerundet wird das ganze Unerwartete durch musikalische Schmankerl aus einem immer größer werdenden Angebot, mit denen man als Besucher auch nicht unbedingt gerechnet hat. Wir kamen 425km aus Walddorfhäslach angefahren, wo wir meine Mutter besuchten, eventuell das letzte Mal. Nachdem wir 2021 unser Haus auf La Palma im Zuge des Vulkanausbruchs verloren haben, leben wir im Wohnmobil und besuchen reihum unsere Eltern, unseren Enkel und unsere Lieblingsfestivals. Blackdoor Music Fest gehört seit 2023 dazu.
Ultima Radio sind mit hervorragenden Musiker und einer außergewöhnlichen Stimme gesegnet, die dem Mix aus Space Rock, Prog Rock und Heavy Psych die wohl verdiente Krone aufsetzt. Was die vier Österreicher musikalisch auf die Beine stellten, wurde fast noch von einen sensationellen Bühnen- und Hallensound im Stadl übertroffen. Die knapp eine Stunde Spielzeit verging wie im Fluge, weil keines der Lieder in irgendeiner Weise vorhersehbar war.
Der zweite Tag stand eindeutig im Zeichen von relaxten, blueslastigen Stoner von Caged Wolves, ambitionierten Crossover von Dark - und Psychedelic Rock der Wiener Band The Great Grey Funk, die kurzfristig für die erkrankte Intra einsprangen, Heavy und Psychedelic Blues von Mount Hush, bis hin zum sich in der Schnittmenge zwischen Doom, Blues und Stoner befindenden schweren Riffs der polnischen Band Weedpecker. Anschließenden sorgten die drei Frontladies von Velvet Two Stripes für reichlich Bewegung und Tanz vor der Bühne. DYSE schickte dann das Publikum auf eine Reise quer durch Noise, Punk, Stoner, gewürzt mit deutschen Texten und viel Animation. Laut einiger Anwohner waren die beiden Musiker bis 1,5km weit entfernt gut zu hören. Wir waren dann auch recht fertig, nachdem wir gestern einen Kilometer vor dem Festival einen Unfall hatten und unser Wohnmobil - eigentlich unser Haus - ziemlich beschädigt wurde. So fielen wir ohne Cone gesehen zu haben todmüde ins Bett.
Marek feierten den Junggesellenabschied ihres Bassisten. Und mit ihrer Musik kann man generell gut feiern, pogen und Bier trinken. Sehr melodischer Punkrock zwischen Midtempo und Ramones angesiedelt, mehrstimmiger Gesang und intelligente Texten waren ein toller Start in den dritten Tag.
Ich liebe Menschen, die möglichst autark und unabhängig ihrer Leidenschaft für Musik nachgehen. Stonetree aus Linz fuhren mit einem umgebauten VW T3 Syncro vor, unter dessen Rückbank 3 Batterien und ein Wechselrichter schlummern, um damit locker eine Stunde, ganz im Geiste von Generatorenpartys in der kalifornischen Wüste, feinsten, sehr rifforientieten Stoner Rock in die begeisterten Zuschauer zu blasen.
Die vierköpfige Band aus Wien rührten den sprichwörtlichen Stahlbeton aus hypnotischen, repetitiven Riffs an, die durch das Alternieren zwischen den einzelnen Halbtönen einen leicht arabischen Touch transportierten. Die 10-minütigen Symphonien aus Riffs, Dynamik und Breaks ließen keine Langeweile aufkommen und trugen das Publikum schon recht früh am Tage in erdferne Gestirne. Trotz aller Heaviness der Riffs und der Dichte des Sounds schienen alle Stücke zu schweben.
Eine sehr aromatische Mischung aus Krautrock, Psychedelic und Blues, bei der ich aber eigentlich schon am Stadl war, um The Necromancers zu begrüßen.
Die Debut "Servants of the Salem Girl" war eines der ersten Alben, die ich für Heavystoned rezensierte. Der letzte Satz "See you at the Valley in 2019" sollte sich kurz nach der Veröffentlichung von "Of Blood and Wine" bewahrheiten. Leider bekamen wir für das Hellfest 2019 keine Karten. Also eigentlich versuchen wir seit 2017, die Band irgendwo live zu sehen, mit ihnen zu reden und eine nette Zeit zu verbringen. Mir gefällt die Balance in ihrer Musik; pro Lied entdeckt man 5,6 musikalische Richtungen, die sich allesamt die Waage halten. Jede Richtung bekommt ihre 1-2 Minuten Spielzeit, so dass es nicht verwundert, dass "Black Marble House" mit knapp 6 Minuten das kürzeste Lied ist. Also da machen wir uns auf den Weg und selbst ein Unfall konnte uns nicht vom Weg zu dieser Band abhalten.
Der Bandbus der "The Necromancers" kollabierte in der Nähe von Nürnberg und die Band musste einen Mietwagen ordern, der sie dann bis ans Festival brachte. Die Organisation ließ die Band im Stadt spielen, weil der Headliner "The Ocean Collective" zwischen 1-2 Stunden brauchen wird, um sämtliches Equipment auf die große Bühne zu räumen.
Matthias (rechts) sollte die Band mischen, sowohl den Bühnen- als auch den Hallensound. Und heraus kam ein für alle Beteiligten Band, Veranstalter, Mischer und Publikum ein denkwürdiges Konzert. Von der ersten bis zur letzten Minute herrschte eine positive Spannung auf Seiten der Band und des Publikums, weil die komplexen Songs auf einen perfekten Sound angewiesen sind. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass dieser schiefe, holzvertäfelte Stadl mit seiner Holz überdachten Bühne und seinen rauen, unverputzten Wänden und Boden mit Matthias am Mischpult einen solch klaren und druckvollen Sound sowohl auf der Bühne als auch im Raum zauberte. Die Band war nach kurzer Zeit in einer losgelösten Spiellaune, die Songs vergingen im Sekundentakt, das Publikum erkannte, welch begnadete Musiker auf der Bühne standen und beide Seiten trieben sich vom Opener "Salem Girl" bis zum letzten Song "Black Marble House" zu wahren Begeisterungsstürmen. Dass nachher der komplette Merch ausverkauft war, war nur eine logische Folge dieses fantastischen Konzerts. Auch die Band bestätigte uns nach dem Konzert, dass die baulichen Nachteile des Stadls eigentlich klangliche Vorteile waren.
Nachdem die 3 Israelis schon 2020 auf dem Billing standen, holten sie 3 Jahre später den ausgefallenen Auftritt nach. Und spätestens jetzt weiß man, dass diese Band eigentlich immer der Headliner sein sollte, weil man deren Show und Power nicht toppen kann. Und wenn es diese Band schafft, ihr halbes Equipment ins Publikum zu stellen und zusammen eine musikalische und seelische Verbrüderung zu feiern und zu tanzen und zu bangen, dann braucht es danach keine Band mehr, denn man geht gerne mit so viel positiver Energie und Freude nach einem Festivaltag nach Hause. Oder habt ihr schon einmal eine "Wall of Love" erlebt, indem man aufeinander zurast und sich knuddelt?
Oder dass die Ansagen zu den Songs, die aus den Zutaten Hardcore, Sludge, Punk und Psychedelic bestehen und von Michails tighten und groovigen drumming nach vorne gepeitscht werden, nur lauten: "This next song is a good song?"
Anschließend hörten wir noch zwei Songs von "The Ocean Collective" und gingen mit einer unendlichen Dankbarkeit für diesen Tag in die Nacht.